«Wir suchen eigentümergeführte Unternehmen mit wirtschaftlichen Burggräben und attraktiver Sicherheitsmarge»

07.05.2023
Herr Fischer, die letzten Monate waren geprägt von Sorgen um eine Bankenkrise, Inflation und steigenden Zinsen. Aber der Anteil der Optimisten am Markt steigt. Wie bewerten Sie den wachsenden Optimismus?
Fallende Inflationsraten sorgen aktuell für eine gute Stimmung an den Märkten. Optimisten setzten sogar noch in diesem Jahr auf eine Zinssenkung, aber das scheint mir doch zu positiv gedacht. Denn wir sehen, dass im März die Short-Positionen deutlich gewachsen sind. Das deutet darauf hin, dass es bald einen Rücksetzer geben kann. Dies bestätigt auch der Blick auf den «Global Fund Manager Survey» der Bank of America. Die Fondsmanager sind insgesamt eher pessimistisch eingestellt und erwarten zum Grossteil eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung. Klar ist jedenfalls, dass die Kurse nicht in den Himmel steigen werden.
Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie für die zweite Jahreshälfte?
Die Inflation wird uns weiter begleiten, denn bis die Ziel-Rate der Notenbanken von rund zwei Prozent erreicht ist, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern. Deshalb haben auch die Notenbanken die Zinsen zuletzt weiter angehoben. Damit wird der vorgezeichnete Zinsanhebungspfad vorerst nicht verlassen. Die Folgen der Zinserhöhungen waren an der Krise im Bankensektor jetzt schon deutlich zu sehen. Auch viele Unternehmen haben mit den Zinserhöhungen zu kämpfen. Wenn der Konsum zurück geht, leiden auch die Umsätze und Gewinne der Unternehmen.
Vor kurzem fand das regelmässige Rebalancing Ihres «Modern Value»-ETF statt und es wurden dabei neue Werte aufgenommen. Welche Kriterien sind dabei für Sie besonders wichtig?
Der ETF bildet den von uns entwickelten «Frankfurter Modern Value Index» ab. Die Auswahl für den Index treffen wir anhand der Prinzipien des Value Investing: Das heisst, wir suchen eigentümergeführte Unternehmen mit wirtschaftlichen Burggräben und attraktiver Sicherheitsmarge. «Mr. Market», die Psychologie des Marktes, sorgt immer wieder für Übertreibungen an den Börsen und bietet uns damit günstige Einstiegsmöglichkeiten. Das wichtigste Entscheidungskriterium für uns ist der «Total Shareholder Return» (TSR) über die nächsten fünf Jahre. Die Zahl spiegelt die erwartete Gesamtrendite der Aktie, die sich aus der Kursentwicklung, den Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen zusammensetzt, wider. Der Index, und damit der ETF, enthalten die 25 Aktien mit dem höchsten erwarteten TSR. Diese Erwartungen sind natürlich nicht statisch, weshalb wir den Index regelmässig überprüfen und wenn nötig anpassen. Im letzten Rebalancing sind so Apple, ASML und SCOR hinzugekommen.
Die Preise steigen, aber die Umsätze gehen zurück - die Inflation trifft viele Unternehmen. Wie gehen Sie damit um?
Am Beispiel vom Konsumgüterkonzern Henkel sieht man exemplarisch, was viele Unternehmen derzeit in ihren Quartalszahlen präsentieren: Die Umsätze steigen, aber die Gewinne geben nach. Schuld daran sind Mehrkosten für Fracht, Rohstoffe und Energie und Verbraucher, die auf günstigere Alternativen zurückgreifen. Henkel verfügt eben nicht über einen wirtschaftlichen Burggraben um das Geschäftsmodell, aus dem Preissetzungsmacht resultiert. Unternehmen, die höhere Preise verkraften müssen, geben dies auch an ihre Kunden weiter, um weiterhin hohe Gewinne zu generieren. Aber das können nur Firmen mit Preissetzungsmacht durchsetzen. Auf genau solche Unternehmen konzentrieren wir uns. Diese Unternehmen haben meist einen strukturellen Wettbewerbsvorteil, der ihr Geschäftsmodell wie ein Burggraben schützt. Eigentümergeführte Firmen mit Preissetzungsmacht, sind die einzige vernünftige Antwort in diesem inflationären Umfeld.
Was bedeutet die Marktsituation für Ihren Investmentansatz?
Aktuell kommen auch viele attraktive Firmen unter Druck, sodass wir immer wieder Gelegenheiten finden, in tolle Unternehmen zu investieren oder Positionen auszubauen. Trotzdem sind wir zuletzt etwas vorsichtiger geworden und haben die Aktienquote bei unserem Aktienfonds leicht gesenkt. Dadurch haben wir mehr Kasse aufgebaut, um bei einem Rücksetzer weiter in die von uns bevorzugten Aktien zu investieren.
Was ist aktuell Ihre Lieblingsaktie und warum?
Aktuell entwickelt sich die Microsoft-Aktie wieder sehr positiv. Wir haben die Schwächephase im vergangenen Jahr genutzt, um unsere Position weiter auszubauen. Microsoft ist ein gutes Beispiel für Unternehmen mit tiefen wirtschaftlichen Burggräben: Die Office-Pakete spielen monatlich weiterhin Milliarden an Dollar ein. Auch der neue Hype um Künstliche Intelligenz (KI) durch ChatGPT spielt Microsoft in die Karten. Microsoft investiert Milliarden in den Mutterkonzern OpenAI, um sich die Vorteile und den Zugriff auf dessen Chatbot zu sichern. Das Thema wird auch zukünftig weiter von grosser Bedeutung sein. Was KI wirtschaftlich für Microsoft bedeutet, wird sich noch zeigen, aber mit der Investition in OpenAI stellt sich der Tech-Gigant gut für die Zukunft auf.
Link zum Disclaimer
Frank Fischer ist Chief Executive Officer (CEO) und Chief Investment Officer (CIO) der Shareholder Value Management AG sowie Berater des «Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen». Der 58-jährige ist überzeugter Value-Investor.