«Wir wollen nachhaltiges und konventionelles Investieren noch stärker verweben»

Head of ESG Capital Markets & Stewardship
Union Investment, Frankfurt
union-investment.de
16.06.2019
Herr Werning, hat sich Union Investment dem Thema «Nachhaltigkeit» - wie zahlreiche Fondsadressen - erst jüngst zugewendet oder können Sie einen Track Record aufweisen?
Tatsächlich kann sich Union Investment im Nachhaltigkeitsbereich mit Fug und Recht als Vorreiter bezeichnen. Bereits vor 25 Jahren haben wir unseren ersten Fonds unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien aufgelegt. Diese Expertise haben wir in den vergangenen Jahren konsequent und erfolgreich weiterentwickelt. Heute bauen wir auf einem nachhaltigen Investmentprozess und auf der Erfahrung zahlreicher Mitarbeitenden im gesamten Unternehmen im Themenumfeld Nachhaltigkeit auf. Inzwischen verfügen wir über eine breite Palette nachhaltig gemanagter Fonds und sind in Deutschland auf diesem Feld führend.
Wie gross ist Ihr Team dafür und welche Vermögensklassen werden damit abgedeckt?
Aktuell arbeiten elf Nachhaltigkeitsanalysten im ESG-Team, das wir in den kommenden Monaten auf 15 ausbauen. Deren Research kommt dem kompletten Portfoliomanagement zugute. Aus diesem Grunde decken wir sämtliche Assetklassen mit Nachhaltigkeits-Know-how ab. In reinen Nachhaltigkeitsfonds verwalten wir aktuell etwa 46 Mrd. Euro. Union Investment weist insgesamt rund 343 Mrd. Euro Assets under Management (AuM) auf, die ebenfalls von unserer ESG-Expertise profitieren.
Kaufen Sie auch externes Know-how ein, zum Beispiel von spezialisierten Agenturen?
Ja, das tun wir. Nachhaltigkeit ist ein sehr datenorientiertes Feld. Aus diesem Grund arbeiten wir mit zahlreichen Anbietern wie MSCI ESG, RepRisk und Trucost zusammen. Die Daten von Drittanbietern verknüpfen wir mit unseren eigenen Erkenntnissen auf unserer selbstentwickelten Research-Plattform «Sustainable Investment Research Information System (SIRIS)». Hier können Fondsmanager auf ESG-Analysen und -Daten zu 72’000 Wertpapieren in fünf Assetklassen, zu 10’000 Emittenten und 95 Staaten zurückgreifen.
Sie treten jeweils aktiv an Generalversammlungen von kotierten Unternehmen auf. Welche Erfahrungen machen Sie damit respektive hat dies konkrete Auswirkungen?
Die GV-Saison ist eine sehr intensive und spannende Phase für unser gesamtes Team. Den Auftritten bei den Versammlungen gehen ja oft lange Gespräche zwischen uns und den Unternehmen voraus, sie sind eine weitere Eskalationsstufe. Die Auswirkungen sind deutlich spürbar. Im laufenden Jahr sehen wir es durchaus als Errungenschaft, dass RWE und BASF künftig prüfen werden, ob und inwiefern ihre Lobbyarbeit im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzvertrag steht. Die beiden Dax-Konzerne gehören immerhin zu den grössten CO²-Produzenten Deutschlands. Und auch Shell hat auf Drängen der Investoren-Initiative «Climate Action 100+» (CA100+), zu der auch wir gehören, verbindliche Klimaziele an die Vergütung des Vorstands gekoppelt. Das Vorhaben, den Kohlendioxidausstoss bis zum Jahr 2035 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent zu senken, ist dadurch deutlich realistischer geworden. All das werten wir als grosse Erfolge.
Brüssel, also die EU, meint es offensichtlich ernst mit nachhaltigem Investieren. Wie spüren Sie das im täglichen Geschäft?
Insbesondere durch den EU-Climate-Action-Plan hat ESG in der öffentlichen Wahrnehmung nochmal einen ordentlichen Schub bekommen. Wir merken das unter anderem an einem gestiegenen Interesse, sowohl an nachhaltigen Lösungen als auch an Informationen zum Thema. Das freut uns natürlich und bestätigt uns in unserer Arbeit. Ziel sollte es aus unserer Sicht sein, nicht eine grüne Nische noch grüner zu machen, sondern Grossunternehmen und Staaten auf ihrem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit zu begleiten.
Welche weiteren Schritte will Ihr Unternehmen in diesem Bereich in nächster Zukunft gehen?
Uns geht es darum, nachhaltiges und konventionelles Investieren noch stärker als bislang miteinander zu verweben - und zwar auf allen Ebenen und über alle Assetklassen hinweg. Diese Integration betrifft grundsätzlich alle Mitarbeitenden, Prozesse und Systeme bei Union Investment, vom Research über das Trading bis zum Reporting. Im Idealfall ist die Berücksichtigung von nachhaltigen Aspekten in fünf Jahren selbstverständlich geworden, so wie beispielsweise auch das Thema Risikomanagement längst integraler Bestandteil des Investierens ist. Das muss unser Ziel auch beim Thema Nachhaltigkeit sein. Um das zu erreichen, bedarf es harter Arbeit. Union Investment baut den ESG-Bereich daher nach wie vor weiter aus.
Link zum Disclaimer
Janne Werning ist seit Juni 2019 Leiter der Gruppe ESG Capital Markets & Stewardship in der Abteilung ESG bei Union Investment. In seiner Rolle leitet er die Umsetzung der ESG-Integration in den Investmentprozess, das ESG-Committee, die ESG-Fondsverantwortung und das Overlay sowie die Engagement- und Stewardship-Aktivitäten mit Unternehmensdialogen und Hauptversammlungsabstimmungen. Seit Januar 2016 ist Werning bei Union Investment tätig. Sein Schwerpunkt als Senior ESG-Analyst lag bisher in den Bereichen Nachhaltige Investments und aktives Aktionärstum (Engagement). Er verfügt über mehr als sechs Jahre Erfahrung im Bereich Socially Responsible Investment (SRI).
Von 2013 bis Ende 2015 arbeitete Janne Werning als Nachhaltigkeitsanalyst für die ESG-Ratingagentur oekom research AG in München. Er hat zudem Arbeitserfahrung bei der Deutschen UNESCO-Kommission, den Vereinten Nationen in Genf sowie beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Von 2010 bis 2011 absolvierte Werning erfolgreich den Master of Science in Human Rights an der London School of Economics (LSE) und erwarb 2017 die Financial Markets Foundation Qualification (FMFQ) der ICMA sowie 2018 die Business Sustainability Management (BSM) Qualifikation der Universität Cambridge.