«Zahlreiche Impulsgeber für Biotech stimmen uns zuversichtlich»

Head Investment Management Team BB Biotech bei Bellevue Asset Management
BB Biotech AG, Schaffhausen
bbbiotech.ch
17.02.2023
Herr Dr. Koller, welche Herausforderungen sehen Sie aktuell im Biotech-Sektor?
Es dauert oft viele Jahre, bis das Produkt eines Biotechunternehmens erfolgreich ist. Das fängt mit Forschung und Entwicklung an und endet mit der Lancierung und Etablierung am Markt. Für Biotechs bedeutet das schon in normalen Zeiten eine lange finanzielle Durststrecke. Aktuell kommen erschwerend die heftigen Zinserhöhungen und das unsichere Kapitalmarktumfeld hinzu. Das schränkt die Handlungsfreiheit vieler Biotechunternehmen stark ein.
Wie reagieren die Unternehmen auf diese Situation?
Viele führende F&E- und Technologieunternehmen besinnen sich wieder auf die Gründung von Partnerschaften mit grösseren, rentablen und gut kapitalisierten Biotechnologie- und Pharmafirmen. Ausserdem greifen zahlreiche Unternehmen auf hybride Modelle zurück, wobei sie Partnerschaften für einige Produkte eingehen, aber andere Produkte in Eigenregie entwickeln und vermarkten.
Sind damit auch verstärkt Übernahmen zu erwarten?
Durchaus ja. Nach dem deutlichen Rückgang der M&A-Aktivitäten im Vergleich zum Spitzenjahr 2019 sind viele Pharmaunternehmen und Biotechriesen weiterhin in der Lage, kleinere und mittelgrosse Biotechfirmen zu übernehmen. Einigen Grossunternehmen stehen sogar Milliardenbeträge für M&A zur Verfügung. Wenn kleine und mittelgrosse Unternehmen nach wie vor viel versprechende Medikamente und Technologien entwickeln und die derzeit attraktive Bewertung beibehalten wird, dürften wir sogar eine Zunahme der M&A-Aktivitäten sehen.
Welche Neuentwicklungen stehen in den Startlöchern?
mRNA-Impfstoffe haben sich schon in der Pandemie bewährt. Jetzt sollen sie auch für Grippeimpfstoffe genutzt werden. Das dürfte für die Hersteller zu beachtlichen Marktanteilgewinnen führen. Weitere RNA-basierte Wirkstoffe wie siRNA oder Antisense, die bislang nur bei seltenen, häufig erblichen Krankheiten genutzt wurden, sollen nun auch bei weit verbreiteten Krankheiten wie kardiovaskuläre oder neurologische Indikationen zum Einsatz kommen. Wir erwarten beispielsweise auf diesem Gebiet von Alnylam oder Ionis beachtliche Fortschritte und Produktzulassungen in 2023. Beide Unternehmen sind in unserem Portfolio vertreten.
Wie sieht es in der Krebstherapie aus? Hier wurden ja bereits Fortschritte angekündigt.
Das stimmt. Hierbei handelt es sich um Antikörper-Wirkstoff Konjugate (ADC) im Bereich solider Tumore. Bei Brustkrebs spielen sei schon heute eine wichtige Rolle. Künftig sollen ADCs auch bei anderen Tumoren eingesetzt werden. Ihr Vorteil ist nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch ihre bessere Verträglichkeit. Damit dürften sie zu einem äusserst attraktiven Geschäftsfeld avancieren. Macrogenics, Incyte und Exelixis sind Unternehmen im Portfolio von BB Biotech, die ADCs zur Behandlung unterschiedlicher solider Tumore entwickeln.
Gibt es weitere Meilensteine in der Produktentwicklung?
Ganz wichtig sind die Fortschritte bei der In-vivo-Gentherapie und bei ersten Ex-vivo-Gentherapeutika. In diesem Jahr kommen die fortschrittlichsten Plattformansätze in der Gentherapie und bei der Geneditierung auf den Markt. Therapien, die im Abstand von vielen Jahren oder sogar nur einmalig verabreicht werden, kommen vor allem Patienten mit monogenetischen Krankheiten entgegen, die eine hohe Krankheitslast darstellen und beachtliche Kosten für das Gesundheitssystem verursachen. In-vivo-Gentherapien zur Behandlung von Hämophilie stehen kurz vor der Markteinführung.
Ihr Fazit für 2023?
Das Jahr hält zahlreiche Impulsgeber für den Sektor und ihre Portfoliounternehmen bereit, darunter Produkteinführungen, Ergebnisse klinischer Studien, Lizenzgeschäfte und M&A-Aktivitäten. Zusammen mit der historisch tiefen Bewertung ergeben sich für uns interessante Anlageopportunitäten.
Link zum Disclaimer
Dr. Daniel Koller kam 2004 zu Bellevue Asset Management und ist seit 2010 Head Investment Management Team BB Biotech. Von 2001 bis 2004 war er als Investment Manager bei equity4life Asset Management AG und von 2000 bis 2001 als Aktienanalyst bei UBS Warburg tätig. Er absolvierte ein Studium in Biochemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und promovierte in Biotechnologie an der ETH und bei Cytos Biotechnology AG, Zürich.