«Zukunft der Vermögensverwaltung entscheidet sich in der Infrastruktur»

30.06.2017
Herr Hegglin, der aktuelle «Swiss External Asset Managers Industry Report 2017» der Universität St. Gallen und Credit Suisse erklärt, dass die unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz mit steigenden Kosten und sinkender Profitabilität konfrontiert sind. Welche Zukunft geben Sie ihnen?
Den unabhängigen Vermögensverwaltern wurde schon einige Male der Untergang vorausgesagt. Entscheidend für ihre Überlebensfähigkeit ist eine digitale Infrastruktur. Die Auswirkungen der letzten Finanzkrise in 2008 sind auch heute noch zu spüren. Sie haben die Arbeitsprozesse der Vermögensverwalter nachhaltig beeinflusst. Gesetzliche, steuerliche aber vor allem regulatorische Auflagen verlangen bei den Vermögensverwaltern ein grundlegendes Überdenken ihrer Struktur. Die etablierten Arbeitsabläufe müssen auf die neuen Gegebenheiten angepasst und unter Effizienz- und Effektivitätsaspekten laufend überprüft werden, damit Wachstum und Profitabilität auch in Zukunft möglich sind.
Auf was stützen Sie Ihre Prognosen?
Mit den künftigen Finanzmarktregulierungen in der Schweiz steigt die Herausforderung für Vermögensverwalter. Ähnliche Gesetze in Deutschland zeigen, dass die neuen Gesetzesvorlagen zu deutlichen Veränderungen am schweizerischen Vermögensverwalter-Markt führen werden. Insbesondere die höheren Kosten zur Erfüllung der Compliance haben in Deutschland die Entwicklung der Geschäftsmodelle der Vermögensverwalter vorangetrieben. Zudem werden Endkunden sensitiv und analysieren die Leistungen eines Vermögensverwalters nicht nur anhand der risikoadjustierten Rendite, sondern vermehrt auch aus Sicht der kostenadjustierten Betrachtung.
Rasch können im täglichen Geschäft Fehler geschehen, was den Vermögensverwalter teuer zu stehen kommen kann, wenn der Anleger finanziellen Schaden erleidet oder das Vertrauen in den Finanzdienstleister verloren geht. Es ist heute immer wichtiger, dass kundenrelevante, anlagespezifische und portfoliobezogene Daten intelligent verbunden werden und unter dem Gesichtspunkt von Compliance sauber und strukturiert verarbeitet und elektronisch abgelegt werden.
Die unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz verwalten laut dem Report rund 350 Mrd. Schweizer Franken. Welche Schlüsselfaktoren brauchen sie für den Erfolg?
Das Geschäftsmodell und damit der Gewinn in der Vermögensverwaltung wird hauptsächlich von drei Dingen getrieben: Die Schlüsselfaktoren sind im Bereich der verwalteten Vermögen, der (Gewinn-)Marge und bei den Kosten zu finden. Die Forderung nach mehr Transparenz in der Vermögensverwaltung führt zu einem Druck auf die Gewinnmarge in dieser Branche. Der Kunde erwartet eine detaillierte Erklärung zu den in Rechnung gestellten Gebühren und stellt diese wiederum mit der erzielten Mehrrendite in Verbindung. Der Kunde ist bei einer unzufriedenen Auswertung immer schneller bereit, den Vermögensverwalter zu wechseln. Diese Entwicklung wird mit der zunehmenden Einbindung von automatisierten Anlageempfehlungen - wie bei so genannten Robo-Advisors - nur noch intensiviert.
Mehr Regulierung, mehr Kosten: Wie sehen Sie das?
Können die Grösse der verwalteten Vermögen und die Gewinnmarge durch den Ruf und die Anlagefähigkeiten eines jeden Vermögensverwalters direkt und individuell beeinflusst werden, ist bei den Kosten eine differenzierte Betrachtung nötig. Kosten werden von einer Vielzahl von Aspekten beeinflusst. Die grössten Kostentreiber in der Vermögensverwaltung sind im Bereich Personal und Regulierung zu finden. Stellen die Personalkosten einen bestehenden Grundkosten-Block dar, findet bei der Regulierung und der damit verbunden operationellen Komplexität in den letzten Jahren eine wahre Kosten-Explosion statt. Erschwerend kommt dazu, dass im Bereich Regulierung die aufgewendete Zeit und verursachten Kosten keinen unmittelbaren positiven Einfluss auf die Ertrag-Seite generiert.
Was können die unabhängigen Vermögensverwalter tun?
Diese Herausforderungen gilt es in der Vermögensverwaltung mit einer effizienten Infrastruktur zu meistern. Eine elektronische Infrastruktur in Form einer Software-basierten Applikation muss sich der Komplexität stellen können. Zudem muss sie fähig sein, die Wechselbeziehung Kosten-Zeit-Ertrag in eine positive Gesamtbilanz zu transformieren. Um dies zu erreichen, müssen die Bereiche Digitalisierung, Standardisierung und Automatisierung optimal verbunden und integriert werden. Zudem müssen sie im Hinblick auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Vermögensverwaltung ausgerichtet sein. Eine Infrastruktur hat dabei die Aufgabe, als innovatives Informations- und Arbeitswerkzeug für Vermögensverwalter die gesteigerten Anforderungen und Herausforderungen aus dem regulatorischen und gesetzlichen Umfeld mit einer technologischen digitalen modernen und abgesicherten Umgebung zu bewältigen.
Wie kann diese Wechselbeziehung Kosten-Zeit-Ertrag gestaltet werden?
Kundenrelevante, anlagespezifische und portfoliobezogene Daten müssen intelligent verbunden und unter dem Gesichtspunkt der aufsichtsrechtlichen Anforderungen sauber strukturiert verarbeitet und elektronisch abgelegt werden - ganz im Sinne eines digitalen Compliance-Ansatzes. So werden beispielsweise die Nutzer automatisch durch die Applikation informiert, wenn Dokumente zu ergänzen sind oder neue gesetzliche und regulatorische Anforderungen erfüllt werden müssen. Ebenso werden laufend die vereinbarten Anlagerichtlinien für die einzelnen Portfolios überprüft, so dass der Kundenwunsch in der Anlagetätigkeit stets entsprochen werden kann.
Was können Sie den Vermögensverwaltern bezüglich Anlagekompetenz bieten?
Da möchte ich unsere Kooperation mit ResearchPool erwähnen. Da spannen zwei innovative FinTech-Unternehmen zusammen und bieten ihre Research-Angebote an. Innerhalb des Finanzinformationssystems ist für den Vermögensverwalter direkt ersichtlich, bei welchen Produkten bzw. Unternehmen neue Research-Berichte zur Verfügung stehen. Diese können mit einem Klick direkt bei ResearchPool bezogen werden. Ein zeitraubendes Suchen nach aktuellen Research-Papers bleibt somit erspart. ResearchPool ist die erste offen zugängliche Plattform für Investment Research.
Die Digitalisierung ist also in der Vermögensverwaltung voll im Gange?
Genau. Die steigenden Kosten und der damit verbundene Effizienzdruck verlangt von den Vermögensverwaltern ihre Prozesse und Arbeitsabläufe grundlegend anzupassen. Um auch in Zukunft konkurrenzfähig zu sein, ist eine innovative Infrastruktur gefragt, welche die Vermögensverwalter in einem holistischen Ansatz in den Arbeitsabläufen unterstützt und dokumentiert. Dies hat zum Vorteil, dass die Anforderungen nach Professionalität und Transparenz in der Vermögensverwaltung weiterhin nachhaltig erfüllt werden können. Auf der Kostenseite müssen die Synergien aus Digitalisierung, Automatisierung und Standardisierung signifikant zur Sicherstellung der gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit genützt werden. Damit wird ein massgeblicher Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft der Vermögensverwaltung gelegt.
Peter J. Hegglin verfügt über mehr als 15 Jahre professionelle Erfahrung in Finance und Investment. So war er unter anderem Head Alternative Solutions Switzerland bei Union Bancaire Privée (UBP) in Zürich und Leiter Manager Research Switzerland bei Mercer Investment Consulting. Dazu war er CIO bei der Summa Verwaltung AG und Investment Engineer bei State Street Global Advisors. Hegglin studierte Auditing und Consulting an der Universität St. Gallen für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften.