«Bitcoin etabliert sich als neue Anlageklasse»

04.05.2022
Herr Buxton, Kryptoanlagen sind heiss begehrt. Wie erklären Sie sich diesen Trend?
Die Nachfrage nach Bitcoin und anderen Kryptowährungen tritt in verschiedenen Formen auf. Neben den zahlreichen Privatanlegern, die an möglichen Kursgewinnen partizipieren möchten, beschäftigen sich seit Kurzem auch institutionelle Investoren mit der Frage, welche Rolle digitale Vermögenswerte in ihren Portfolios spielen könnten. Sie werden, ähnlich wie Gold, als «Wertespeicher» oder Inflationsschutz angepriesen. Die grösste langfristige Nachfrage könnte sich jedoch aus dem Potenzial der Kryptowährungen zur Diversifikation der Portfolios ergeben. Einer der Gründe für das in letzter Zeit stark gestiegene Interesse sind neu eingeführte Beteiligungsmöglichkeiten für Investoren, insbesondere durch börsengehandelte Produkte.
Berücksichtigt man die allgemeinen Grundsätze, die einer Kryptowährung zugrunde liegen, zeigt sich, dass sie wertvoller wird, je mehr Menschen sie nutzen, was unter anderem durch den Verknappungsfaktor bedingt wird. Sie werden, im Gegensatz zu sonstigen Erzeugnissen oder traditionellen Währungen, als absolut begrenztes Angebot ausgegeben. Sie werden nicht durch Regierungen ausgegeben - zumindest bisher nicht -, und man braucht keine Bank oder sonstige Zwischenhändler, um Transaktionen durchzuführen. Diese Charakteristika verleihen ihnen einen Eigenwert und machen sie für viele Kunden und Investoren attraktiv.
Der Kryptomarkt ist sehr volatil. Was ist der Auslöser für die momentan gedämpfte Stimmung am Kryptomarkt?
Zunächst muss auf einen Punkt hingewiesen werden, den man nicht unbeachtet lassen kann: Kryptowährungen sind volatil. Dies war besonders im vergangenen Jahr der Fall - vor allem aufgrund von Meldungen zur Zugänglichkeit von Kryptoassets - nicht nur direkt, sondern auch durch börsengehandelte Produkte und sonstige Finanzinstrumente. Die Tagesmeldungen enthielten sowohl positive als auch negative Nachrichten - von Ländern, welche die Nutzung digitaler Vermögenswerte befürworten, bis hin zu anderen, in denen sie generell verboten sind. Ein besserer Zugang würde eine vermehrte Inanspruchnahme bedeuten, was - wie bereits erwähnt - die Nachfrage ankurbeln würde, da mehr Vermögenswerte generiert werden müssten. Während folglich jeder regulatorische Eingriff ungünstige Auswirkungen auf die Preisentwicklung hätte, würde man erwarten, dass der Markt auf konstruktive Entwicklungen positiv reagiert.
Das digitale Zahlungsmittel basiert auf der Grundlage eines Blockchain-Systems. Welche Chanen und Risiken sehen Sie mit der Blockchain-Technologie?
Man denke nur an all die Dinge, die wir tagtäglich im Internet machen: vom Streamen von Filmen über Onlineshopping bis hin zu Bankgeschäften und vielem anderem mehr. Jede dieser Anwendungen basiert auf dem Internet. Doch wie viele davon konnte man bereits voraussehen, als das Internet erstmals online ging? Ähnliche Vergleiche mit der Blockchain-Technologie liegen nahe. Blockchain ist das Internet des Vermögenstransfers, wobei Kryptowährungen die erste und bisher grösste Anwendung dieser zugrundeliegenden Schlüsseltechnologie ist. Mit Blick auf dieses Potenzial brachten wir im März 2019 einen «Global Blockchain UCITS ETF» heraus, der mittlerweile über mehr als 800 Mio. US-Dollar AuM verfügt.
Wir sehen ein enormes Potenzial sowohl für öffentliche als auch private Blockchains in einer Vielzahl von Branchen. Theoretisch kann man sagen: Je grösser und komplexer eine Lieferkette ist, desto umfassender sind die Effizienzsteigerungen, die durch Blockchain-Anwendungen erreicht werden können. Unternehmen und Organisationen haben die Chance, Prozesse zu beschleunigen und zu vereinfachen sowie Kosten zu reduzieren. Dies ist besonders dann relevant, wenn Vertrauen und Geheimhaltung wichtige Themen sind, beispielsweise bei klinischen Studien, bei denen Anonymität entscheidend ist.
So gewaltig das Potenzial für Blockchain ist, so gross sind auch die potenziellen Risiken. Die Nachrichten enthalten zahlreiche Meldungen über Kryptobetrug, Cyberangriffe und die Angst vor illegalen Aktivitäten. Dies verdeutlicht die Bedeutung regulierter Produkte von erfahrenen Asset Managern, die auch institutionelle Gesichtspunkte berücksichtigen.
Bitcoin ist die erfolgreichste und bekannteste Kryptowährung mit der höchsten Marktkapitalisierung. Was steckt Ihrer Meinung nach hinter dieser Entwicklung?
Bitcoin kam zuerst auf den Markt und geniesst daher nach wie vor Marktdominanz. Wir wissen mit Sicherheit, dass es nie mehr als 21 Millionen Bitcoins geben wird. Das ist das endgültige Angebot. Wachsende Nachfrage bei rückläufigem Angebot bedeutet, dass der Preis für den Vermögenswert in der Regel steigt. Und Bitcoin hält nicht nur einen Anteil von mehr als 40 Prozent am Markt der Kryptowährungen, sondern ist auch die am aktivsten gehandelte. Für institutionelle Investoren ist dies definitiv ein Beispiel, bei dem Grösse und Liquidität von Bedeutung sind.
Bitcoin hat sich als eines der sichersten digitalen Assets auf dem Markt erwiesen. Seine Blockchain wurde noch nie gehackt. Es gab zwar Fälle, in denen unbefugt auf das Konto einer Privatperson zugegriffen wurde, dies geschah jedoch im Allgemeinen aufgrund von privaten Schlüsseln, die nicht sicher gespeichert waren, oder anderen Sicherheitslücken, die vermeidbar gewesen wären, hätte man die Vermögenswerte offline in Cold Wallets aufbewahrt.
Was sind die aktuelle Entwicklungen in der Blockchain- sowie Bitcoin-Industrie und die wichtigen Trends mit Auswirkungen auf deren langfristige Weiterentwicklung?
Viele Anwendungen neben den Kryptowährungen bleiben von den meisten Menschen unbemerkt. Oft sind es jedoch genau sie, die sich erheblich auf unser Leben auswirken könnten. So optimieren etwa Smart Contracts zeitkritische Transaktionen wie beispielsweise Immobilienkäufe. Blockchain modernisiert darüber hinaus Logistikunternehmen, indem es ihre häufig veralteten, papierbasierten Tracking-Systeme ersetzt.
Unternehmen suchen mittels Blockchain zudem nach Lösungen zur Speicherung und Übertragung sensibler Daten, sei es für die Patientendossiers von Privatpersonen oder die Wählerregistrierung. Die dauerhafte und unveränderliche Natur der Distributed-Ledger-Technologie eignet sich in der Tat zur Geldwäschebekämpfung, Identitätsprüfung und zu weiteren Verfahren unter Einsatz von biometrischen Daten. Sicherheit wird wohl noch auf Jahre hinaus ein Schlüsselbereich bleiben, sowohl in Bezug auf Blockchains als Lösungen für Sicherheitslücken als auch für Unternehmen, die blockchainbasierte Anwendungen sicherer machen können.
Die meisten Schlagzeilen werden jedoch Entwicklungen rund um Kryptowährungen machen - insbesondere jetzt, da Zentralbanken rund um den Globus aktiv versuchen, eigene digitale Währungen einzuführen. Der Weg in Richtung einer bargeldlosen Gesellschaft scheint unumgänglich und wird Chancen ebenso wie Herausforderungen mit sich bringen.
Trotz der Grösse und hohen Liquidität des Bitcoin-Marktes ist er für viele professionelle Investoren bislang nur schwer zugänglich gewesen. Ist das der Grund für die Auflegung des Invesco Bitcoin-ETP?
Ja, dies war einer der Hauptgründe für die Lancierung, die sich seit einigen Jahren in der Entwicklung befand, da wir sicherstellen wollten, dass die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse institutioneller Investoren erfüllt werden. Für eine Privatperson ist es relativ einfach, Bitcoin zu kaufen und zu verkaufen. Man braucht nur einen Internetzugang, muss eine Wallet erstellen und darf natürlich nicht vergessen, die privaten Schlüssel sicher aufzubewahren.
Nichts davon eignet sich für eine Institution, insbesondere Wallets und die Speicherung privater Schlüssel. Der Grossteil unserer Gespräche mit Investoren konzentrierte sich auf die operativen Herausforderungen, beispielsweise Handel, Custody, Risikomanagement und Wertermittlung. Sie benötigen ein Instrument, in das sie investieren können und das die funktionalen Abläufe regelt - und es war klar ersichtlich, dass kein zweckmässiges Produkt dafür zur Verfügung stand.
Können Sie genauer auf die Ausgestaltung des Vehikels eingehen und warum fiel die Wahl auf ein ETP?
Grundsätzlich ist es vergleichbar mit unserem «Physical Gold ETC», auch wenn die Vermögenswerte sich natürlich deutlich unterscheiden. Aus der Perspektive eines Investors wird in unseren «Physical Bitcoin ETP» ebenso wie in unseren «Physical Gold ETC» oder irgendeinen unserer anderen ETFs investiert, indem Anteile über einen Broker oder einen Marktmacher gekauft bzw. verkauft werden. Aufträge, die im Sekundärmarkt nicht erfüllt werden, können durch autorisierte Teilnehmer im Primärmarkt ausgeführt werden - durch den üblichen Prozess der Ausgabe und Rücknahme. Das Instrument ist kein ETF oder Fonds, es stellt daher Zertifikate statt Anteile aus. Es handelt sich jedoch im Wesentlichen um das Gleiche.
Jedes ETP-Zertifikat ist mit Bitcoin unterlegt, die im Auftrag der ETP durch Zodia Custody verwahrt werden. Zodia Custody bietet den Schutz von Cold Wallets mithilfe von Hardware Security Modules (HSMs) in sicheren Datenzentren, ohne die damit verbundenen operationellen Risiken einer menschlichen physischen Interaktion mit den HSMs oder die langsameren Transaktionsumlaufzeiten der traditionellen Cold Storage. Die privaten Schlüssel werden ebenfalls in den HSMs gespeichert, die selbst militärischen Ansprüchen genügen und über zahlreiche Massnahmen zum Schutz der Schlüssel und Vermögenswerte verfügen.
Zodia befindet sich mehrheitlich im Eigentum der Standard Chartered Bank, Northern Trust ist ein Minderheitsaktionär. Die Bankenstiftung trieb die Entwicklung ihrer Lösung für die Verwahrung digitaler Vermögenswerte voran. Zodia wählte als Firmensitz Grossbritannien, insbesondere aufgrund der strengen Aufsicht durch die britischen Regulierungsbehörden. Die anderen Partner unseres Produkts sorgen ebenfalls für das Vertrauen der Investoren: Northern Trust als Administrator des ETP, KMPG als Auditor und CoinShares als massgeblicher Sponsor.
Unser ETP nutzt CoinShares Hourly Reference Rate für Bitcoin, die einen transparenten Referenzkurs für Bitcoin mit unabhängiger Governance und Aufsicht bietet, auf der Grundlage einer belastbaren und mit den massgeblichen Vorschriften konformen Methodik. Der Index berücksichtigt sämtliche Branchen minutengenau und in Echtzeit, jedoch nur an den liquidesten und renommiertesten digitalen Börsen.
Für wen ist der Bitcoin-ETP im Speziellen und die Anlageklasse Kryptowährung im Allgemeinen geeignet?
Wir haben ihn eigens für Institutionen und andere grosse, anspruchsvolle Investoren entwickelt, die diesen Grad an Kontrolle sowie institutionelle Systeme verlangen. In den einzelnen Jurisdiktionen sind lokale Aufsichtsbehörden dafür verantwortlich, die Eignung eines Investments zu ermitteln. Sie behandeln nicht alle Investitionen in Kryptowährungen auf die gleiche Weise. Jede Vorsicht von ihrer Seite erklärt sich im Wesentlichen durch die Risikoperspektive, da sie natürlich sicherstellen möchten, dass die Investoren sich der Risikobehaftung des Assets und der Funktionsweise des Investmentinstruments bewusst sind.
Wie bereits erwähnt, sind die Produkte nicht gleichwertig. Einige Anbieter begeben sich in rechtliche Zuständigkeitsbereiche mit weniger strenger Aufsicht, und auch die Methoden zur Verwahrung von Assets und zur Aufbewahrung privater Schlüssel können variieren. Daher war es uns besonders wichtig, mit Dienstleistern zusammenzuarbeiten, welche die Risiken und die Anforderungen der Investoren kennen und Lösungen entwickeln und liefern können, die sich für Institutionen eignen.
Link zum Disclaimer
Gary Buxton, Leiter von Invesco’s ETF- und Indexstrategien für die Regionen EMEA und APAC, ist für die Leitung des operativen Geschäfts sowie die Festlegung der Strategie und Vision für das ETF- und Indexfondsgeschäft von Invesco in den Regionen EMEA und APAC verantwortlich und beaufsichtigt ein verwaltetes Vermögen von 60 Mrd. US-Dollar.