Web 3.0 ist die logische Evolutionsstufe des Internets

04.04.2022
Herr Borini, die Kurse der wichtigsten Krypto-Währungen scheinen einen tragfähigen Boden gefunden zu haben. Wie werten Sie diese Entwicklung?
Im Zuge des Kriegs gegen die Ukraine sind Krypto-Assets ebenso unter Druck geraten. Das gab den Krypto-Kritikern wieder eine Angriffsfläche: «Als Krisen-Assets taugen sie nichts.» Das mag vielleicht sehr kurzfristig betrachtet stimmen. Ich hätte jedoch eine viel stärkere Kursentwicklung des Goldpreises erwartet. Seit Jahresbeginn sind Gold und Bitcoin nun wieder in etwa gleich auf, beide notieren über 5 Prozent höher als Ende Jahr. Aber viele Altcoins haben in den letzten Wochen starke Kursgewinne verbuchen können. Die zweitgrösste Kryptowährung, Ether, legte in den letzten vier Wochen um 25 Prozent zu oder Solana sogar über 40 Prozent. Weiterhin werden Krypto-Assets eine höhere Volatilität haben, das muss jedem bewusst sein. Das gehört zum Spiel. Wichtig ist: Bitcoin ist nicht vergleichbar mit Altcoins, das sind verschiedene Paar Schuhe. Man vergleicht Gold auch nicht mit Aktien. Fazit: Das Krypto-Asset-Umfeld bleibt spannend und ist inzwischen als Beimischung in einem gesamtheitlichen Portfoliokontext interessant.
Immer öfters liest man in einschlägigen Medien den Begriff «Metaverse». Können Sie kurz erklären, was man darunter versteht?
Eine allgemeingültige Definition des Begriffs gibt es nicht. Ich verpacke das ganze Thema unter dem Begriff «Web 3.0». Man muss aber unterscheiden: Web 3.0 ist die Vision eines dezentralen Internets. Es ist die logische weitere Evolutionsstufe des Internets und die Basis bildet die Blockchain. Dieses dezentrale Web 3.0 wird nicht mehr von einigen grossen Plattformen dominiert, sondern ist verteilt auf voneinander unabhängigen Computern, so wie es heute im Krypto-Umfeld bereits der Fall ist. Während es also beim Web 3.0 darum geht, wer das Internet von morgen besitzen und kontrollieren wird, konzentriert sich das Metaverse darauf, wie wir Nutzer das Internet der Zukunft erleben werden. Es wird die Art und Weise, wie wir online arbeiten, Kontakte knüpfen und Netzwerken oder einkaufen, verändern. Inzwischen sind bereits bekannte Marken im Metaverse unterwegs. Nebst den Big-Techs sind auch Gucci, Louis Vuitton, Balenciaga, Nike, Coca-Cola und viele mehr schon längst im Metaverse und machen ihre ersten Gehversuche. Auch Banking kommt ins Metaverse. Wir werden Banken und dezentrale Finanzdienstleister im Metaverse finden. Die US-Bank J.P. Morgan hat eine Filiale im Metaverse eröffnet. Es geht nun darum, eine Vorstellungskraft zu entwickeln, wohin die Reise geht. Und es ist auch klar, die Nutzererfahrung und die kommerzielle Infrastruktur muss noch deutlich verbessert werden. Aber das iPhone war im Jahr 1 auch nur ein Telefon mit einem Browser und integriertem iPod und heute ist es die Fernbedienung unseres Alltages.
Es ist also kein Hype…
Überhaupt nicht, die Zukunft ist schon da. Denken sie an dezentrale Finanzdienstleistungen, die bereits einen TVL von 250 Mrd. US-Dollar aufweisen (TVL = Total Volume Locked). Okay, das ist im globalen Finanzmarkt noch ein Klacks. Doch die Entwicklungen gehen rasant vorwärts. Schon heute können sie Kredite aufnehmen, Gelder verleihen oder auf dezentralen Börsen handeln. Auch hier, wir befinden uns noch ganz am Anfang. Vergleicht man es mit der Entwicklung des Internets, denn stehen wir wohl so im Jahr 8 oder 9. Damals war das Internet langsam, wenig benutzerfreundlich und wir hatten teilweise noch Respekt, Fehler zu machen. Schenkt man den Zahlen der US-Grossbank Citi glauben, so wird der Gesamtmarkt für die Metaverse-Wirtschaft bis 2030 auf bis zu 13 Billionen Dollar anwachsen, die Anzahl Metaverse-Nutzer wird bis zu fünf Milliarden betragen.
Dann gibt es ja auch die Non-Fungible Tokens (NFTs). Wie sehen Sie deren Zukunft?
Auch hier, gekommen, um zu bleiben. NFTs sind nicht nur irgendwelche lustigen digitalen Punks oder Affen. NFTs werden die Musik und Filmbranche verändern - Künstler haben eine Möglichkeit, die grossen Labels zu umgehen und direkt mit ihrer Fanbase in Kontakt zu treten. Man wird künftig Tickets für ein Open-Air als NFT bekommen und damit kann man direkt auch Bier und Snacks konsumieren, Bezahlung integriert. Oder Bildungsurkunden wie Masterabschlüsse sind ebenso ein spannendes Thema. Diese sind ja einfach zu «faken», künftig könnten NFTs dahinterstecken.
Worauf konzentrieren Sie sich und Ihr Unternehmen in den kommenden Monaten?
Unser Fokus bleiben unsere Dienstleistungen im Bereich der digitalen Transformation der Finanzindustrie. Derzeit wächst hier unser Beratungs- und Aus-/Weiterbildungsangebot sehr stark. Viel Freude macht uns aber das «House of Satoshi», das erste Ladenlokal für Bitcoin, Blockchain & Friends. Aus einer Bieridee ist ein Produkt entstanden. Wir haben in den letzten zwölf Monaten - trotz Corona-Einschränkungen - hunderte von Menschen im Laden gehabt und ebenso viele haben an Workshops und Events teilgenommen. Aufgrund des Riesenerfolgs in Zürich expandieren wir nun. Erste Station ist die Bundeshauptstadt Bern und im Winter gibt’s ein Pop-up in Verbier. Und innerhalb des «House of Satoshi» wird noch viel kommen, das ist nicht einfach nur ein «Lädeli» oder eine Workshop-Location. Denn die Besucher, sei es on- oder offline, haben ja auch finanzielle Bedürfnisse. Seien sie gespannt.
Link zum Disclaimer
Rino Borini ist Mitgründer des Beratungs- und Medienhauses Scarossa. Das Unternehmen setzt den Fokus auf digitale Transformation der Finanzindustrie sowie «Next Generation Invest» und betreibt unter anderem die Anlegerplattform «10x10.ch» und die Veranstaltungsplattform «Finance 2.0». Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich und ist Verwaltungsratspräsident beim digitalen Vermögensverwalter Descartes Finance. Im Herbst 2020 hat ihn das Wirtschaftsmagazin «BILANZ» zu den «Digital Shapers 2020» gekürt, also den 100 wichtigsten Köpfen, die die Digitalisierung im Land vorantreiben.