«Die Mehrheit der Unternehmen hat noch keinen klaren Plan, wie sie bis 2050 Netto-Null-Emissionen ausstossen wollen»

24.05.2022
Frau Moola, als Mitglied der Net Zero Asset Managers Initiative (NZAMI) hat sich Ninety One verpflichtet, in den Portfolios bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erzielen. Wie können Vermögensverwalter dieses Ziel erreichen?
Viele Unternehmen sind folgender Ansicht: Wenn die bis 2030 geforderten Reduktionsziele eingehalten werden, erreichen die Betriebe damit auch die Netto-Null-Emissionen bis 2050. Solch ein einfacher und linearer Übergang ist jedoch unwahrscheinlich, insbesondere für Unternehmen in kohlenstoffintensiven Schwellenländern. Wir weisen immer wieder mit Nachdruck darauf hin, dass es sinnvoll ist, weiterhin auch in Länder oder Unternehmen mit hohem Kohlendioxidausstoss zu investieren - vorausgesetzt natürlich, dass diese Unternehmen planen, auf Netto-Null-Emissionen umzusteigen.
Die gute Nachricht ist, dass die Unternehmen in den Schwellenländern anfangen, die Energiewende ernst zu nehmen. Immer mehr Firmen verpflichten sich, bis 2050 den Netto-Nullpunkt zu erreichen. Darunter sind sogar Unternehmen aus emissionsintensiven Branchen wie der mexikanische Zementhersteller CEMEX, der indische Stahlhersteller JSW Steel und das südafrikanische Energie- und Chemieunternehmen Sasol.
Gibt es auch eine schlechte Nachricht?
Ja, leider. Die schlechte Nachricht ist, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen - weltweit, aber insbesondere in den Schwellenländern - noch keinen klaren Plan hat, wie sie bis 2050 Netto-Null-Emissionen ausstossen wollen.
Unser Ziel ist es, dass bis 2030 ein möglichst hoher Anteil der Unternehmen in unseren Portfolios tragfähige Strategien zur Dekarbonisierung vorzeigen kann. Um die Pläne für den Übergang zu bewerten, haben wir einen Rahmen entwickelt, der aus drei Grundsätzen besteht. Der erste Grundsatz beurteilt beispielsweise, ob die Ziele ehrgeizig genug sind.
Wie lässt sich dieser Ehrgeiz messen?
Es geht dabei nicht nur um das Endziel, sondern auch um die Meilensteine, die auf dem Weg dorthin gesetzt werden. Unserer Meinung nach gibt es verschiedene Wege, um einen ehrgeizigen Plan zu erstellen. Der einfachste Weg ist es, die Emissionen um 7 Prozent pro Jahr zu senken. Damit würde die Erwärmung bis 2050 auf 1.5 Grad Celsius begrenzet bleiben. Leider ist diese lineare Dekarbonisierung für die meisten Unternehmen ein Wunschtraum. Vor allem, wenn sie in Schwellenländern und in emissionsintensiven Branchen tätig sind.
Ein weiterer ambitionierter Plan ist, die Strategie des Unternehmens weitgehend dem Dekarbonisierungspfad der Regierung des Landes anzupassen. Das setzt voraus, dass sich das Land das 1.5-Grad-Ziel gesetzt hat, was vielfach noch nicht der Fall ist. Aber es ist ganz klar einfacher für Unternehmen das 1.5-Grad-Ziel zu erreichen, wenn die Regierung ebenfalls einen solchen Plan verfolgt.
Was können Sie uns zu den zwei anderen Bewertungsgrundsätzen sagen, die Sie verfolgen?
Einerseits muss geklärt werden, ob das Unternehmen den Investitionsbedarf für die anstehende Dekarbonisierung berücksichtigt hat und ob es sich das leisten kann. Nur sehr wenige Firmen haben die Umstellung vollständig budgetiert.
Anderseits müssen die Fortschritte mindestens jährlich überwacht und geprüft werden. Dabei betrachten wir nicht nur die von Jahr zu Jahr erzielte Kohlenstoffreduzierung. Vielmehr achten wir auf greifbare Zeichen des Fortschritts, etwa die getätigten Investitionsausgaben oder die Abnahmevereinbarungen für neue Brennstoffquellen. Wichtig ist, dass wir echte Fortschritte sehen und nicht nur Versprechungen.
Gibt es noch etwas, das die Unternehmen beachten müssen?
Wenn die Firmen mit Blick auf diese drei Grundsätze überzeugen können, würden wir ihre Übergangspläne als solide und angemessen betrachten. Für den Grossteil der Unternehmen wird die Entwicklung und Umsetzung von Übergangsplänen Jahre dauern. Und für einige Sektoren wird es sogar unmöglich sein.
Zusätzlich zu diesen Faktoren müssen die Unternehmen die Auswirkungen des Übergangs auf ihre Mitarbeitenden und die Gemeinschaften, in denen sie tätig sind, berücksichtigen. Das erhöht zwar die Komplexität erheblich, aber eine Umstellung, welche die sozialen Auswirkungen nicht miteinbezieht, wird sich langfristig nicht als nachhaltig erweisen.
Wie integrieren Sie die Übergangspläne in die Portfolios?
Abgesehen von Waffen und Munition und spezifischen nachhaltigen Strategien gibt es bei Ninety One keine Ausschlusspolitik. Aus diesem Grund müssen wir uns mit dieser Frage der Portfoliointegration befassen. In unserer grundlegenden Analyse müssen wir feststellen, ob die Risiken, die sich aus einem schwachen Übergangsplan ergeben, verstanden und angemessen eingepreist sind.
Link zum Disclaimer
Nazmeera Moola ist Chief Sustainability Officer bei Ninety One. In dieser Funktion beaufsichtigt sie die unternehmensweiten Nachhaltigkeitsinitiativen des globalen Vermögensverwalters. Zuvor war sie Co-Head of Africa Fixed Income und zuletzt Head of South African Investments bei Ninety One. Sie kam 2013 von Macquarie First South zu Ninety One, wo sie Head of Macroeconomic Strategy war. Ihre Karriere begann sie als Wirtschaftswissenschaftlerin bei Merrill Lynch in Südafrika und London. Nazmeera Moola schloss ihr Studium an der University of Cape Town mit einem Bachelor of Business Science ab und ist CFA Charterholder.