«Schwellenländer der nächsten Generation profitieren von strukturellen Trends»

27.04.2022
Herr Hirter, Redwheel verwaltet rund 11 Milliarden US-Dollar in Aktien aus Schwellenländern und Grenzmärkten. Vor drei Jahren hat Ihr Unternehmen einen Fonds aufgelegt, der in kleinere Schwellenländer und Frontier-Märkte investiert. Warum?
Die Schwellenländer der nächsten Generation bestehen aus den kleineren Emerging Markets sowie grösseren, liquiden Frontier-Märkten. Diese bieten ähnliche Wachstumschancen, wie dies in grossen Schwellenländern vor 10 bis 15 Jahren der Fall war. Diese Länder werden den altbekannten Weg der wirtschaftlichen Entwicklung einschlagen. Während rund 40 Prozent des aktuellen MSCI Emerging Markets Index aus dem Technologiesektor stammen, spielen die traditionellen Schwellenländerthemen wie finanzielle Inklusion, Industrialisierung und Urbanisierung in Ländern wie Indonesien, Philippinen, Chile oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine weitaus grössere Rolle. Seit 2013 verwalten wir im Bereich «Next Generation Emerging Markets» erfolgreiche Mandate. Die Strategie investiert nicht in die sieben grössten Emerging-Märkte und zielt auf einen langfristigen Kapitalzuwachs ab.
Was ist bei Investitionen in kleinere Schwellenländer und Frontier-Märkte zu beachten?
In einigen Frontier-Märkten ist die Liquidität nicht gegeben. Daher investieren wir nur in liquide Frontier-Märkte. Wir verfügen über ein Team von 22 Mitarbeitenden, die Research für diese Märkte betreiben. Wir investieren in marktführende Unternehmen in Sektoren wie Finanzdienstleistungen, Konsum und Produktion. Die meisten Unternehmen im Portfolio haben eine dominante Marktposition mit starken Managementteams, um von der Wachstumsdynamik der einzelnen Volkswirtschaften zu profitieren.
Sie investieren in Ländern wie Sambia, Pakistan oder Burkina Faso. Was sagen Sie Kunden, die dies als hohes Risiko betrachten?
Wir verstehen, dass Investitionen in solchen Ländern subjektiv als höheres Risiko wahrgenommen werden könnten. Aber natürlich ist das Portfolio gut diversifiziert und alle Länder werden genau überwacht. Unser Bottom-up-Ansatz wird durch eine Top-Down-Macro- und thematische Strategie unterstützt. Wir unterhalten zudem eine langjährige strategische Beziehung zu Rice Hadley Gates Manuel LLC. Das ist eine Consulting-Agentur, gegründet von der ehemaligen US-Aussenministerin Condoleezza Rice, die uns in einem breiten Spektrum politischer, risikoeinschätzender sowie kommerzieller und aufsichtsrechtlicher Angelegenheiten berät. Diese Zusammenarbeit unterstützt unser kontinuierliches Engagement und unser Verständnis für die makroökonomischen und geopolitischen Faktoren, die diese Märkte beeinflussen.
Was sind die wichtigsten Treiber in diesen Märkten?
Die Schwellenländer der nächsten Generation dürften in den nächsten Jahren von drei wichtigen Faktoren angetrieben werden: Rohstoffpreise, die Verlagerung von Fabriken aus China und die Rückkehr des Reisens. Die säkulare Unterstützung angesichts der weit verbreiteten Verpflichtungen zu Netto-Null-Emissionszielen dürfte den Herstellern von «grünen» Materialien wie Kupfer oder Lithium zugutekommen. Ausserdem haben die Länder in unserem Portfolio durch Steueranreize und eine günstige demografische Entwicklung die Chance, Investitionen in arbeitsintensive Fertigungsindustrien anzuziehen. Darüber hinaus könnte die Erholung der weltweiten Reisetätigkeit denjenigen Frontier-Volkswirtschaften Auftrieb geben, in denen der Tourismus einen grossen Teil des BIP ausmacht, wie zum Beispiel in Vietnam.
ESG ist in aller Munde. Sie haben hier einen Fonds, der in Rohstoffe wie Öl und Bergbau investiert. Ist dieser Fonds zeitgemäss?
Ja, absolut, denn die Strategie hat einen ESG-Ansatz. Wir sind der Ansicht, dass ESG-Massnahmen in Unternehmen ein wichtiger Faktor für die langfristige Wertentwicklung der Aktie ist. Für uns als langfristige Investoren ist Nachhaltigkeit wichtig, weil der Erfolg eines Unternehmens letztlich von seiner Fähigkeit abhängt, sich kontinuierlich mit ESG-Themen auseinanderzusetzen. Ein erfolgreiches Management dieser Faktoren ermöglicht es einem Unternehmen, potenziell kostspielige und/oder störende Ereignisse zu vermeiden, die sich auch auf die finanzielle oder ökonomische Situation auswirken könnten. Die ESG-Analyse ist von Beginn an ein integraler Bestandteil des Due-Diligence-Prozesses des Emerging & Frontier Markets-Teams und wird von allen Analysten durchgeführt.
Warum ist jetzt ein guter Zeitpunkt für Anleger, diese Märkte in Betracht zu ziehen?
Schwellenländer der nächsten Generation profitieren von strukturellen Trends wie zum Beispiel die Verlagerung der Produktion in die asiatischen Frontier-Länder. Die attraktive Demografie und das Wirtschaftswachstum werden von einer niedrigen Basis aus dazu beitragen, einige der kurzfristigen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem anhaltenden Konflikt in der Ukraine zu überwinden. Aufgrund der geringen Korrelation mit den grossen Emerging Markets bietet sich die Strategie ausserdem als gutes Diversifikationsinstrument an.
Link zum Disclaimer
Stefan Hirter bringt einen reichen Erfahrungsschatz und regionales Verständnis mit. Der Sales-Spezialist kommt von Fidelity International, wo er als Verkaufsleiter für die Schweiz und Liechtenstein tätig war. In dieser Funktion war er für die Betreuung einer Vielzahl von Kunden verantwortlich, darunter Banken, Versicherungen, Family Offices und unabhängige Vermögensverwalter. Zuvor war er mehr als acht Jahre bei der Credit Suisse Asset Management tätig, zuletzt als Leiter des Wholesale-Geschäfts für die Schweiz und Liechtenstein. Stefan Hirter ist Betriebsökonom HF und diplomierter Swiss Fund Officer FA/IAF.