«Krypto ist nicht gleich Krypto»

21.06.2022
Herr Borini, die grosse Aufwärtsbewegung in Krypto-Währungen scheint sich zu verlangsamen. Werden diese Phase kleinere Anbieter überleben?
Verlangsamung ist gut (lacht), wir haben gerade ein heftiges Krypto-Gewitter hinter uns, mit Sturm, Blitz und allem, was dazu gehört. Diese starke Korrektur führt natürlich dazu, dass die verwalteten Vermögen bei Krypto-Anbietern schmelzen, wie das Eis an der Sonne. Das ist eine Herausforderung, da sie auf einer tieferen Vermögensbasis ihre Gebühren belasten müssen. Im Vorteil sind hier Krypto-Anbieter, die frühzeitig eingestiegen sind und in den «guten Jahren» genügend Gelder einsammeln konnten und solide finanziert sind. Und ja, ich denke, dass einige kleine Fonds nicht überleben werden, und kleinere Anbieter, die noch nicht breit genug aufgestellt sind, ihre Lichter löschen müssen. Aber es gibt ebenso kleine Anbieter, die schon vier bis fünf Jahre im Markt sind und mit guter Qualität überzeugen konnten. Wenn ein solcher Anbieter nun diese Durststrecke überlebt und dann noch eine bessere Performance aufweisen kann als der Markt, dann werden diese auch wieder Neugelder gewinnen können. Es gibt also auch Chancen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, dass wieder Zug ins Kamin kommt?
Die Krypto-Märkte sind der gleichen Welt ausgesetzt wie traditionelle Anlagen. Derzeit leiden alle Anlageklassen von steigenden Zinsen, hohen Inflationszahlen, den Schwierigkeiten bei den internationalen Lieferketten - China sei Dank - und dem russischen Angriffskrieg. Wir müssen einfach ruhig bleiben und nicht panikartig sich von seinen Assets lösen. Letztlich bin auch ich kein Prophet und es kann weiter runtergehen, seitwärtsverlaufen oder wieder ansteigen, sie können auswählen (lacht). Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir fantastische Jahre hinter uns haben. Der S&P 500 stieg in den letzten fünf Jahren um über 50 Prozent, der Nasdaq sogar um 70 Prozent und der Bitcoin 704 Prozent. Und Bitcoin, wie aber auch viele andere Coins und Tokens, sind jetzt supergünstig, sozusagen «Black Friday» im Sommer. Spannend ist jedoch, dass die Workshops bei uns im «House of Satoshi» sowie auch unser Krypto-Lehrgang «Certified Crypto Finance Expert» - trotz Gewitter an den Märkten - immer ausgebucht sind.
Ruhig ist es in den Medien geworden bei den Non-Fungible Tokens (NFTs). War es das schon?
Den klassischen Medien fehlt es wohl an reisserischen Schlagzeilen fürs Clickbaiting, nein, Spass beiseite. Im NFT-Bereich läuft nach wie vor ganz viel, gerade jüngst hat das älteste Uhrengeschäft der Welt (!), Beyer Chronometrie in Zürich, eine NFT-Uhrenkollektion herausgegeben. Die ersten 100 NFT-Uhren waren innerhalb von wenigen Minuten verkauft. Puma hat 2500 NFTs herausgegeben, die unterschiedliche Seltenheit aufweisen, sie geben Zugriff auf besondere Kleidungsstücke oder Sotheby’s baut gerade seine Aktivitäten im NFT-Markt aus. NFTs sind aber auch sehr vielfältig, es gibt ja beispielsweise NFT-Gaming, Stichwort dazu Play-to-earn, und das wächst weiterhin in Asien und Südamerika. Aber sicherlich sind die Umsätze in 2022 tendenziell eher rückläufig.
Wie kommt «Metaverse» voran?
Eine neue Studie von McKinsey zeigt, dass im Jahr 2021 rund 13 Mrd. US-Dollar an Venture Capital und Private Equity ins Metaverse flossen. Und sie schätzen, dass bis 2030 der Markt über fünf Billionen US-Dollar schwer sein wird. Die Citi schätzt das Umsatzpotenzial auf 13 Billionen US-Dollar. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Wie dem auch sei, ich denke, wir werden in den nächsten drei Jahren ganz spannende Entwicklungen sehen im Metaverse und die wachsen exponentiell. Darum muss man sich frühzeitig damit beschäftigen, sonst wird man am Ende auch diesem Thema nachrennen müssen. Übrigens, im Metaverse entstehen für die Finanzindustrie neue Ertragsmöglichkeiten. Einige Banken, insbesondere in den USA und Asien, haben den Braten gerochen und sind bereits aktiv.
Welchen Trends sollten Investorinnen und Investoren in den nächsten zwölf Monaten besondere Beachtung schenken?
Ich glaube, wir haben derzeit ein attraktives Einstiegsniveau bei vielen Krypto-Assets und ich bin überzeugt, dass risikofähige Anleger sich generell mit Krypto-Assets beschäftigen sollten. Wenn jemand kein Risiko verträgt, dann soll diese Person die Hände davonlassen, das gilt dann auch für Aktien. Sobald man den Krypto-Markt verstanden hat, liefern Kryptos in einem gesamtheitlichen Portfoliokontext einen Mehrwert. Aber es ist zu unterscheiden: Krypto ist nicht gleich Krypto. Es gibt Coins und Tokens - das ist nicht dasselbe. Und jeder Coin beziehungsweise Token hat seine Eigenheiten und man sollte eben nicht einfach alles als Krypto-Währungen abstempeln. Letztlich gilt das Grundprinzip beim Investieren auch für Krypto-Assets: Man investiert nur in das, was man versteht. Ist doch wie im traditionellen Finanzwesen: Ich kaufe auch keine Aktie einer Firma, deren Geschäftsmodell ich nicht verstehe. Und auch in der traditionellen Welt kommt es zu Ausfällen, so auch im Krypto-Markt.
Link zum Disclaimer
Rino Borini ist Mitgründer des Beratungs- und Medienhauses Scarossa. Das Unternehmen setzt den Fokus auf digitale Transformation der Finanzindustrie sowie «Next Generation Invest» und betreibt unter anderem die Anlegerplattform «10x10.ch» und die Veranstaltungsplattform «Finance 2.0». Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich und ist Verwaltungsratspräsident beim digitalen Vermögensverwalter Descartes Finance. Im Herbst 2020 hat ihn das Wirtschaftsmagazin «BILANZ» zu den «Digital Shapers 2020» gekürt, also den 100 wichtigsten Köpfen, die die Digitalisierung im Land vorantreiben.